Klingel Versand insolvent: Online Shop aus Pforzheim gibt auf

Das Versandhaus Klingel gehört(e) zu den größten Shops in Deutschland. Der Traditionshändler, der mit dem Klingel Katalog beinahe so bekannt war wie der OTTO Katalog, ist ausgerechnet 100 Jahre nach der Gründung pleite.

Klingel ist älter als Otto und wurde schon 1923, als die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hatte und das Geld kaum noch etwas wert war, von Robert Klingel in Pforzheim gegründet. Im Mai 2023 hatte die Klingel-Gruppe bereits ihre Zahlungsunfähigkeit verkündet und Insolvenz in Eigenverwaltung gemeldet, wollte aber nach Investoren gesucht.

Nun teilte das Unternehmen mit, dass keine Geldgeber gefunden wurden und der Betrieb des Traditionshauses eingestellt wird. Damit werden 1.300 Arbeitnehmer des Versandhändlers ihre Jobs verlieren. Weitere 300 Mitarbeiter hatten zuvor schon von sich aus gekündigt.

Wichtig für die Kunden: Bereits bestellte Waren werden weiterhin ausgeliefert. Auch funktioniert der Online Shop noch und die Kunden können weiterhin Herren- und Damenmode, Möbel und technische Geräte im Klingel Shop bestellen.

Nach dem Weihnachtsgeschäft ist endgültig Schluss

Die Kündigungen sollen noch diese Woche an die Mitarbeiter verschickt werden, teilten die Gewerkschaft ver.di und Klingel-Betriebsrat mit. Demnach soll ein großer Teil der Klingel-Belegschaft bis November 2023 freigestellt werden.

Ein kleines Team bleibt noch bis 2024, um Retouren und Service-Dienstleistungen aufrecht zu halten. Doch spätestens im Frühjahr 2024 soll Schluss sein. Aus und vorbei, für das 100-Jahre alte Unternehmen, das zeitweise der drittgrößte Online Shop in Deutschland war.

Die Klingel Gruppe, die eigentlich den Unternehmensnamen K – Mail Order GmbH & Co. KG trägt, hatte noch 2016 die Marke Alba Moda vom Hamburger Otto-Konzern gekauft. Nach der Übernahme von Alba Moda erfolgte eine Umstrukturierung.

Weitere bekannte Marken, wie etwa MONA und Happy Size gehörten ebenfalls zur Klingel Gruppe. Ob hier noch starke Preisreduzierungen, Rabatte und Sale Aktionen für den Ausverkauf der Lager anstehen, ist unbekannt.

Happy Size hat sich auf Kleidung für mollige Damen und Herren in Übergröße spezialisiert. Es ist möglich, dass einzelne Shops oder Marken noch an Interessenten verkauft werden und die aktuelle Situation überleben. Dazu gäbe es bereits Gespräche.

Attraktiv für Investoren dürften neben Plus Size auch der Online Shop von Wenz, die Männerbekleidungsmarke Babista, der Schmuckanbieter Diemer und das Gesundheitsunternehmen Wellsana. Sie alle gehören zum Klingel-Imperium, das wohl zu schnell zu groß wurde.

Viele Übernahmen und Umstrukturierungen in der Vergangenheit

Der Konzern hat viele Tochterunternehmen: Auch Lebensmittelversandhändler, B2B-Anbieter, E-Commerce-Plattformentwickler und IT-Dienstleister wurden von Klingel in den letzten Jahren nach und nach aufgekauft und in das Unternehmensgeflecht integriert.

Offenbar war das alles zu viel. Das Unternehmen verlor sich in seinen Strategien und konnte Investoren nicht von seiner Zukunftsfähigkeit überzeugen. Mit der Insolvenz verlieren nun viele Arbeitnehmer ihre Jobs. Einige Marken könnten weiterhin überleben, wenn sie ausgegliedert werden. Ob diese aber dann unter dem neuen Eigentümer eigenständig bestehen bleiben oder die „Filetstücke“ ausgeschlachtet werden, bleibt abzuwarten.

Der Betriebsrat sah das Desaster offenbar kommen und kritisiert die Geschäftsführung laut Bild.de scharf: Versäumnisse vor: „Die Lage wurde zu lange beschönigt und nicht rechtzeitig reagiert.“

Die Stadt Pforzheim will nun alles in ihrer Macht stehende tun, um die Entlassenen zu unterstützen, sagt der Oberbürgermeister Peter Boch. Es gäbe bereits einen Sozialplan. Dennoch sei die Nachricht extrem bitter. Neben den vielen Arbeitsplätzen, geht ein großer Name, ein Stück Tradition verloren.

Bilder:

• Klingel-Katalog zum 100. Geburtstag des Versandhauses sowie Logo der Klingel-Gruppe. Quelle: Klingel.de